Dienstag, 31. Januar 2012

Safaga, Ägypten 11.11.11-21.11.11

Salam Habibi,

Es fällt mir immer wieder auf wie penetrant die Gesellschaft bestrebt ist dem Jahresurlaub mit einem schönen Landesnamen  Ausdruck zu verleihen und Ihn so möglicherweise einige Tage länger im Gespräch zu halten, als den Urlaub vom Kollegen aus dem Raum schräg gegenüber. Ein wahres Konkurrenzdenken entbrennt, geht es um die Wahl des Erholungsortes. Reiseveranstalter boulen um die Gunst der Möchtegern-Globetrotter und damit verbunden die Scheine in ihren Brieftaschen.
Doch wenn man sich einmal besinnt und aus dem Trott ausbricht, stellt man fest, dass es nicht die Länder, nicht die Orte sind an die man sich erinnert, sondern die Erfahrungen und die Menschen mit denen man diese teilt.
Ich muss nicht für zwei Wochen auf die Antillen fliegen und dort im Luxus Resort in meinem Kingsizebett den Tag zu verschlafen. Eine Reise ist für mich erst dann lohnenswert und sinnvoll, wenn ich außer Souvenirs und Fotos noch Einiges mehr mitnehmen kann. Dieses Gefühl möchte ich euch gerne in diesem und den unzähligen noch folgenden Beiträgen vermitteln. Und wer weiß, vielleicht infiziere ich ja den ein oder Anderen mit den "travelbugs".

Im Sommer 2011 entstand bei mir der Wunsch dem ständigen Kreislauf von Arbeit und Durchschnittsurlaub zu entfliehen und so suchte und suchte ich nach einer geeigneten Möglichkeit mein Vorhaben in die Tat umzusetzen.
Da ich im Januar kurz vor den Anfängen des arabischen Frühlings bereits in Ägypten war und dort das Kulturprogramm somit abgearbeitet hatte, erschien mir dies ein geeignetes Fleckchen Erde um mich ein erstes Mal nicht dem üblichen Urlaubstrott hinzugeben.
Safaga, ein Name bei dessen Recherchen mir Bilder von Schildkröten, Delphinen, Kamelen und Quadsafaris angeboten wurden.
Nicht schlecht für den Anfang, fand ich. Doch wer einmal in Ägypten gewesen ist, weiß, dass jegliche "guided tour" eine abenteuerliche Kaffeefahrt ist und die vermeintlichen Beduinen am Abend nach der Vorstellung in die Jeeps hinter den Dünen steigen um zu ihren Familien in die Stadt zu fahren.
Ich möchte ein Abenteuer und keinen Bären aufgebunden haben.
Aber es gibt andere Facetten Ägyptens, die ich wohl mit der Zeit verdrängt hatte.
Am letzten Tag meines ersten Aufenthalts nutzte ich die Gunst der Stunde und nahm an einem "discover scuba diving" Kurs teil. Mit der Erinnerung, dass ich anfangs leicht panisch reagiert hatte und etwas brauchte um mich unter Wasser wohl zu fühlen, begann ich, noch leicht skeptisch, nach Tauchbasen in Safaga Ausschau zu halten.
Eine deutschsprachige Basis sollte es sein. Ich wollte ein Abenteuer, aber für den Anfang genügte mir die Light-Variante mit der Möglichkeit in meiner Muttersprache zu kommunizieren.
Orca Diving Center Safaga, "auf den Preis darf man nicht achten" wurde mir gesagt. "Tauchen sei ein überteuertes Hobby" durfte ich mir anhören. "Du  legst den Atemregler nach zwei Tauchgängen doch sowieso in die Ecke und lässt es bleiben";"Alleine reisen ist doch viel zu gefährlich".
Wenn man nicht mehr drauf hat, bestärkt man mich damit nur in meinem Vorhaben und macht mir meine Entscheidung wesentlich einfacher.
Hätte man mich vor 2 Jahren gefragt welche Hobbies ich später einmal haben würde, ich hätte im Traum nicht ans Tauchen gehabt. Aber es kommt eben oft anders und vorallem als man denkt.

Mit einem kleinen Körnchen Zweifel stieg ich am 11.11, es war ein verregneter eiskalter Freitagmorgen im Spätherbst, in Berlin in den Flieger.
Nach 4 Stunden, Ägypten liegt eine Zeitzone hinter Deutschland, kam ich in Hurghada, dem Mallorca/Ibiza-Klon des schwarzen Kontinents, an.
Mir bliess ein milder Wind entgegen. Es war nicht so drückend heiß, wie beim letzten Besuch, ein Vorteil? Im Moment schon.
Nach wenigen Minuten sass ich auch schon im Shuttle Richtung Safaga, bloß weg aus diesem westlichen Touristen-El Dorado mit Ballermannambitionen.
Als die Hotelmeilen der Wüste wichen, konnte ich zum ersten Mal durchatmen und führte eine Unterhaltung mit dem Fahrer über Vor- und Nachteile der Revolution. Ich musste feststellen, dass sich nur wenige direkt mit den Leitlinien der Aufstände identifizierten. Eine Diktatur ist sicherlich sehr einschüchternd und schwächt die eigene Meinungsbildung ungemein, was immernoch zu spüren war. "At least we´re not hungry anymore.".
Bei solchen Aussagen fällt es einem schwer eine passende Antwort zu finden, daher beschränkte ich mich auf ein zustimmendes Kopfnicken mit leichtem Lächeln. Es schien nicht überheblich rüberzukommen.
Am Hotel angekommen, fand ich das vor, was ich erwartet hatte...wenig.
Nun endlich durfte ich mich Individualtourist nennen, denn für niemanden sonst konnte diese Unterbringung sein. Ich störe mich keineswegs an Dreck, Getier oder Gerüchen, wohlaber an offensichtlicher Geldmacherei. Die Straße runter hätte ich für 29 € die Nacht besser geschlafen, aber nungut, dafür war die Tauchbasis nur 10 Schritte weit weg.
Genau diese 10 Schritte unternahm ich wenig später und erhielt nach einem netten Gespräch mit der Basisleitung meine Lektüre, ja fürs Tauchen muss man wieder die Schulbank drücken, meine restliche Ausrüstung und den Namen meines Tauchlehrers, für die Zeit des Kurses.
Für den Rest des Tages hieß es "(fl)explore the unknown" und so erkundete ich die Umgebung, bis ich auf ein nettes kleines Restaurant aufmerksam wurde. Da ich im Nachhinnein den angebotenen Fisch als unter Riffschutz stehend bezeichnen muss, war es ganz sinnvoll dort nur dieses eine Mal diniert zu haben.

Ein Tipp für zwischendurch: Wenn ihr in Ägypten essen gehen wollt und dabei bestrebt seit Kultur und Menschen kennenzulernen, dann geht niemals in ein Restaurant, welches sich mit Reklame, Preisen und Angebot zu sehr westlich orientiert. Mir hat es zwei Hinterhöfe weiter in das Wohnviertel hinnein wesentlich besser geschmeckt und ich habe für das gesamte Essen weniger bezahlt als für das Wasser bei dem Halsabschneider an der Straße. Außerdem konnte ich so den Abend mit einigen Shisha paffenden Ägyptern verbringen, die anscheinend doch nicht so wenig von Politik verstehen, von dem Thema allerdings genug Lügen gehört haben, das kann man Ihnen denke ich auch nicht verübeln.

Am nächsten Morgen traf ich Ayman, meinen Tauchlehrer und Guide für die nächsten Tage.
Als Taucher musst du aufgeschlossen sein für Neues, du musst eine gewisse Risikobereitschaft mitbringen und in heiklen Situationen Ruhe bewahren.
Das und viel viel mehr brachte mir Ayman binnen der nächsten 3 Tage bei und am Nachmittag jeden Kurstages ging es für 40 Minuten in die Unterwasserwelt am örtlichen Hausriff.
Wieder unter Wasser atmen zu können ist fantastisch, es bietet einem die Möglichkeit ganz in Ruhe einen Blick auf den kleinen Flötenfisch zu werfen ohne danach in panischer Angst, man könne ja ertrinken, wieder aufzutauchen und nach Luft zu ringen.

Ruhe ist überhaupt das Stichwort, denn davon bekommt man im tiefen Blau mehr als genug mit und mit Ruhe ging es dann auch am 4. Tag das erste Mal ins Freiwasser.
18 Meter ging es nach unten, schon ein ganz schönes Stück und auch das Maximum, was ich als Open Water Diver tauchen darf.
Ich hatte mich bewusst für eine Ausbildung am roten Meer entschieden, denn irgendwie kann ich mich nicht so recht damit anfreunden in kalten heimischen Gewässern, bei 5 Meter Sichtweite und meinem Buddy an der Hand, zu tauchen.
Mir wurde sogar berichtet, dass es teilweise zu Abbrüchen von Tauchgängen gekommen ist, weil die Teilnehmer die gut 30 Meter Sichtweite nicht gewohnt waren und in den teils doch sehr schroffen Canyons schlicht Höhenangst bekommen haben. Als Person mit einem gewissen Höhenrespekt kann ich da allerdings nur drüber lachen und das beruhigt verneinen. Wenn jemand zu schwer beladen ist und seine Weste nicht vollpumpt und in Folge 150 Meter in die Tiefe rauscht, ist er selbst Schuld.

Der Vorteil einer Ausbildung hier ist einfach die Tatsache, dass der Guide sowieso mit dabei ist, dir entgeht also sogut wie nichts.
Als dann beim 3. Tauchgang gut 15 Meter neben mir die erste Schildkröte auftauchte, bekam ich schon ein wenig Gänsehaut. Diese behäbig wirkenden Tiere schweben scheinbar mühelos durch das tiefe Blau und lassen sich von Nichts und Niemandem von ihrem Weg abbringen, einfach faszinierend dieses Schauspiel.
Mit steigender Tauchgangsanzahl wurde die Spezies Schildkröte langsam zum treuen Begleiter und setzte sich mit immer größer werdenden Exemplaren bestens in Szene. Während des 13. Tauchganges sollte ich dann die Krönung zu Gesicht bekommen, eine Lederschildkröte, die wohl von der Panzergröße her gut als Wakeboard durchgegangen wäre.

Man möchte meinen die Orientierung sollte einem unter Wasser schwer fallen, weil die 3-Dimensionalität zum tragen kommt. Das ganze Spektakel nachts durchzuführen, ist aber noch eine ganz andere Liga.
Ich hatte die Möglichkeit am Hausriff der Tauchbasis einen Nachttauchgang mit Ayman zu unternehmen.
Im Licht der Taschenlampe, die Alles, im Gegensatz zum Sonnenlicht, in seinen natürlichen Farben erstrahlen lässt, kann man schon mal vergessen, dass man sich unter Wasser befindet.
Es kommt eher einer Höhlenexpedition gleich, nur mit dem Unterschied, dass man eben fliegt und nicht geht.
Einfach genial, wie die Tiere das Licht nachts wahrnehmen. Es schien fast so als würden Sie es als Spot für ihre Tanzeinlagen verwenden.
Eine ausgewachsene Sepia-Dame führte dann auch extra für mich eine Mitternachtsvorstellung ihres Lichterspiels vor. Taschenlampe aus! Erst jetzt wird einem bewusst wie gut man es hat, schwebt man doch in 7-8 Metern Tiefe in absoluter Dunkelheit, einzig illuminiert durch den bläulich blinkenden Bakterienstreifen des Sepia. Am liebsten hätte ich mir noch drei bis zehn Flaschen Nitrox geholt und die Nacht neben der Lady verbracht, doch leider macht die Stickstoffsättigung da einem einen Strich durch die Rechnung.

Mir wurde von Anfang gepredigt, dass irgendwann Tauchgänge auf mich zu kämen, in denen ich das Erlernte umzusetzen und auf Gefahrensituationen zu reagieren habe.
Bei mir war das gleich zweimal der Fall.
Bei einem Tauchgang am berühmten Panoramariff, dass ihr das nicht kennt war ja klar, riss einem Tauchkollegen das Maskenband. Dies hat zur Folge, dass die Maske nicht mehr abdichtet, Wasser dringt ein und macht scharfes Sehen unmöglich.
Mein Buddy, zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Ayman sondern Ulli, eine sehr nette weitgereiste Deutsche, gab selbstlos ihre Maske ab und schwamm mit mir noch weitere 20 Minuten Richtung Tauchboot.
Man bedenke in 12-15 Metern Tiefe ohne Maske zu tauchen, bedeutet beim kleinsten Atemreflex durch die Nase Wasser zu schlucken und den Fisch einen halben Meter weiter nicht mehr als Fisch, sondern als schwarzen Fleck wahrzunehmen, weil einem dauerhaft Salzwasser in den Augen brennt.
Ich habe dann, als es ihr zu viel war, die Rettungsboje gesetzt, sodass ein Zodiac, also ein 1-motoriges Schlauchboot uns abholen kam. Dabei war es ganz schön herausfordernd für zwei Leute die Anzeigen im Blick zu behalten, denn die Anzeige des Tauchcomputer ohne Maske abzulesen war ebenfalls unmöglich für Ulli.
Der zweite Fall von Gefahrensituation war der allerletzte Tauchgang. Es war mittlerweile relativ kalt, die See hatte sich im Verlauf der letzten Tage kontinuierlich auf 19 Grad herunter gekühlt, immernoch relativ warm, aber in Kombination mit dem Wind an der Oberfläche und der Tauchtiefe während des Tauchgangs war es einfach nur kalt.

Während dieses Tauchgangs hatte ich auch eine spontane Begegnung mit einer Nachtschwarzen Muräne, die aus ihrem Versteck in einer großen Koralle hervorgeschossen kam, als ich gerade über diese abtauchte, sodass ich kopfüber, Richtung Grund tauchend, plötzlich dieses Tier vor mir aus einem Spalt schnellen sah.
Nach kurzem Augenkontakt und einem leichtem Schock meinerseits verkroch sich die Muräne wieder.
Diese Tiere mögen gefährlich aussehen, jedoch ist der Kopf eines Tauchers grundsätzlich größer als der einer Muräne, weshalb man sich nicht wirklich fürchten braucht.

Dies war aber noch nicht die Situation, die diesen Tauchgang so speziell machen sollte.
Als es hieß, dass wir langsam zurück zum Schiff schwimmen sollten, bewegte sich die 5-köpfige Tauchergruppe vom Riff weg in Richtung Schiffsanlegeplatz. Nach einigen hundert Meter war dummerweise immer noch kein Schiff in Sicht und der Füllstand meiner Flasche und der eines Buddies war auf 0 gesunken.
Zum Glück wollte ein Buddy mit mir teilen und Tom, ein anderer Tauchlehrer, lieh dem Anderen etwas Luft.
So schwammen wir also zu 5. an 3 Flaschen hängend weiter in Richtung Schiff.
Leider weiterhin ohne Schiff in Sicht.
Tom bat uns in 5 Meter Tiefe zu warten, um selbst kurz aufzutauchen und das Schiff zu suchen.
An der Oberfläche angekommen winkte er uns zu sich nach oben und nach einem umfassenden 360 Grad Schwenker sah auch ich unsere Mitfahrgelegenheit, gut einen halben Kilometer weiter westlich.
Das Problem war wohl eine falsche Route vom Riff weg.
Als der Fahrer des Zodiac uns abholen kam, musste er leider feststellen, dass wir einer zuviel für das Boot waren. Aber was wäre ein Abenteuerurlaub ohne Improvisation. Also hieß es sich an einem Seil festzuhalten, während das Schlauchboot über die Wellen Richtung Schiff bretterte. Ein toller Abschluss für einen Tauchurlaub, wie ich fand.


Insgesamt durfte ich nach gut 8 Tauchtagen 14 bescheinigte Freiwassertauchgänge in meinem Logbuch verzeichnen und erinnere mich jederzeit an jeden Einzelnen gerne zurück.
Die Fauna des Roten Meeres ist einfach überwältigend.
Man findet so ziemliche jede Schwarmfischart, Schildkröten, Oktopusse, Sepien, Kugelfische und auch mit etwas Glück Delfine vor. Dieses Erlebnis blieb mir leider verwehrt, dachte sich die 30 Tiere fassende Delfinschule doch, dass Sie abhauen müsste bevor ich ins Wasser springen konnte.

Außerdem muss ich festhalten, dass Kamele ganz wunderbare Tiere sind und mit ihren großen Kulleraugen selbst mich kleinkriegen. Oh und Sie schmecken verdammt lecker!

Nach 10 spannenden Tagen hieß es für mich wieder Richtung Europa zu fliegen.
Ich verbrachte die letzten Stunden mit chillen am Strand und traf am Flughafen kurz vor dem Abflug eine Truppe Taucher von meiner Basis wieder mit denen ich die Zeit vor dem Flug totschlagen konnte.
Als diese Gruppe dann um 17:15 Richtung Düsseldorf abhob, blieb mir nur noch meine Kopfhörer aufzusetzen und am Gate sitzend Red Hot Chili Peppers zu hören.

take me to the place i love, take me all the way...